Ohhh, kann ich Andy zu dir sagen? - You may not, antwortet er im perfekten Oxford English, das ihm erst abends nach der dritten Pint entgleitet. Komm schon, ein bisschen Snob gehört zum erfolgreichen Anwalt einfach dazu. Ich denke, du arbeitest bei Starbucks?? Criminal barrister hat weniger mit Kaffee zu tun, sondern vielmehr damit aus ‘nem Mord Notwehr zu zaubern. Moral ist aber auch ein dehnbarer Begriff oder Gerechtigkeit; Andrew erkennt zwar mit einem Blick, ob jemand schuldig ist oder nicht, aber gewinnen ist halt trotzdem geil. Außerdem lacht der so schön, wenn der Tag gut läuft und hast du schon die Muskeln gesehen und wie gut er Konversation betreiben kann und angeblich reist der auch total gerne?? Woran ist bitte diese Ehe damals gescheitert? Na wer so tief in seinem (begehbaren immerhin) Kleiderschrank steckt, dem können die schönsten Töchter zum Abendessen mitgegeben werden, da läuft genau nichts außer höflichen Komplimenten. Egal, es gibt so viele andere Sachen, mit denen man sich beschäftigen und lebendig fühlen kann: den alten Testarossa, das teuerste Essen in der Stadt, Golf, den kleinen Bruder, der früher irgendwie mal niedlicher und weniger verkifft war.. Und zur Not gabelt Andrew sich schon jemanden auf - ganz diskret, in der Bar oder im Fitnessstudio (die Oberarme wachsen ja nicht von selbst), gegen die gelegentliche Einsamkeit.

Der tut gar nix, das würdest du halt wirklich gern glauben wenn du diesem scheiß Schrank gegenüberstehst der mit 1.96m nicht nur fast jeden überragt sondern von da oben auch guckt als würde er dir gleich das schlagende Herz aus der Brust reißen - aber ehrlich, das ist einfach nur sein Gesicht, der ist eigentlich echt okay und sieht viel schlechter gelaunt aus als er normalerweise ist. ...was nicht bedeutet dass er dir die Nase nicht so nachhaltig brechen könnte dass sie irgendwann so aussieht wie seine eigene - denn dass der hier als Türsteher arbeitet sieht man auch aus hundert Meter Entfernung. Wundert außerdem auch keinen dass der vorher in der British Army war und lange geglaubt hat das wäre das einzige was er auf die Reihe kriegt, weil man ihm das auch schön eingeredet hat. Vorher war's die Dyslexie die ihn gefickt hat, jetzt ist es die PTBS die ihm noch immer nachhängt und die er wahrscheinlich nie wieder los wird, weil Therapie nur was für heulende Schwuchteln ist und man als richtiger Kerl gefälligst über solchen Dingen zu stehen hat.

Eigentlich sieht der voll süß aus mit seinen funkelnden Augen und dem offenen Gesicht – naja, bis er eben die Fresse aufmacht, da fallen dem eindeutig zu viele dumme Sprüche raus. Arif ist auch echt so ein Klatschmaul, dass er sich manchmal, wenn ihm wirklich langweilig ist, einfach an ne Bar setzt und anderen Gesprächen zuhört. Nicht, dass er deren Leben interessanter findet als sein eigenes, aber heimlich träumt er doch davon, Privatdetektiv zu sein – und/oder Erpresser. Mit seiner eigenen Vergangenheit in Bosnien während des Krieges setzt er sich nicht auseinander, das ist ja auch alter Tobak, schon mal was von ererbten Trauma gehört? Nö (bestimmt). Bosnisch spricht er auch nur mit seiner Familie, die er immerhin tausendmal in der Woche sieht, denn Familie ist echt alles, ansonsten klingt er wie der schlimmste Mancunian. Dafür ist er so beliebt bei seinen Kolleginnen in der Klinik, weil er wirklich charmant sein kann, immer alles über jeden weiß, und auch sonst ein Händchen für die Kiddös auf der Station hat. Klar, mit denen kann er auch über Netflix quatschen und die neusten Sneakers von Adidas. Auf Arif kann man sich echt verlassen, der setzt sich auch die ganze Nacht neben dein Bett und hält dir die Hand, wenn du mal wieder zu lange kotzen musst, spielt mit dir Poker oder macht Rollstuhlwettrennen durch den Gang (inklusive Wettschulden). Auch wenn seine Zündschnur viel zu kurz ist und er gerne mal Leuten in die Fresse haut, sollten die sich nicht benehmen, trotz Sixpack ist der gar nicht so taff, sondern heult sofort mit, wenn jemand anderes damit anfängt.

Zuckerwatte, bunte Pins und ganz viel Glitzer! 1:1 die Ausstattung jeder klassischen Gerichtsmedizinerin, wenn’s nach April ginge. Nach außen hin sieht die aus wie das herzallerliebste Püppchen, das wortwörtlich keiner Fliege was zuleide tun könnte – in Wahrheit hat sie die aber schon als Kind gesammelt und seziert. Klassische Soziopathen-Vibes halt, kein Wunder, dass die im Keller unter der Polizeistation arbeitet. Das lose Mundwerk war mit dem Fick auf Empathie noch gratis dabei.

Ob Andrew sie damals aus ihrer italienischen Heimatstadt gekidnappt und entführt hat, fragt man, sie muss auch nicht antworten, nur zwei Mal fest blinzeln - aber Alba lacht nur dieses Lachen bei dem man meinen könnte dass die Sonne aufgeht, und spätestens dann ist für die meisten auch klar woran ihre Ehe zerbrochen ist, so seltsam das klingt. Aber diese offensichtlichen Unterschiede zwischen ihnen sind so schwer zu übersehen, obwohl Alba selbst immer wieder betont wie gut Grau und Gelb zusammenpassen. Sie muss es wissen, als Galeristin ist das immerhin irgendwo ihr Job. Dass es da ganz andere, auch sonnige Seiten an ihrem Exmann gibt hält sie gern jedem vor, die wahren Gründe ihrer Trennung verschweigt sie aber - lässt die Leute nur spekulieren ohne zu bestätigen oder dementieren. Vielleicht wäre es ganz gut sich von einem Mann abzugrenzen der einen nicht auf eine Weise lieben kann die man sich wünscht - aber wann wäre Alba nicht zu stur gewesen, um sich an irgendwelche klugen Ratschläge zu halten, die sie sich nicht selbst gegeben hat? Es ist immerhin in Ordnung, weiterhin befreundet zu sein. Und dass sie bisher keinen so wirklich an sich rangelassen hat, reiner Zufall.